Ein Haufen Energie – oder ein Haufen Mist?
Jährlich fallen in der Schweiz geschätzt zwischen 690’000 und 1 Million Tonnen Pferdemist an*. Diese beeindruckende Menge birgt ein grosses Potenzial zur Produktion von Biogas. Doch die energetische Nutzung ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheint.

Wie viel davon tatsächlich in Biogasanlagen verwertet wird, lässt sich nur ungenau sagen. Das Material wird häufig gemeinsam mit Hofdünger oder Bioabfällen vergoren, und statistisch nicht separat erfasst. Klar ist jedoch: Obwohl jedes Jahr Hunderttausende Tonnen Pferdemist anfallen, wird nur ein kleiner Teil energetisch genutzt.
Warum Pferdemist ein Potenzial hat
Pferdemist enthält viel organische Substanz und kann insbesondere bei strohhaltiger Haltung beachtliche Methanerträge liefern. Studien zeigen, dass er theoretisch einen Teil der Energiepflanzen wie Silomais ersetzen könnte. Nachhaltiger Nebeneffekt: Er fällt ohnehin an und konkurriert nicht mit Ackerflächen.
Unter günstigen Bedingungen kann von etwa 200 kWh Stromäquivalent pro Tonne Pferdemist ausgegangen werden. Der tatsächliche Energieertrag kann jedoch je nach Substratzusammensetzung, Feuchte, Vergärungstechnologie und Effizienz der Energieumwandlung deutlich unter oder über diesem Wert liegen.
Warum er dennoch oft als „Problemstoff“ gilt
Der hohe Faser- und Trockensubstanzgehalt macht Pferdemist in vielen Standard-Nassfermentern schwer handhabbar. Typische Probleme:
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schlechte Fliessfähigkeit: Risiko von Verstopfungen und Schwimmschichten
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hoher Aufbereitungsaufwand
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geringere Methanausbeute bei holz- oder sägespänehaltiger Einstreu
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Störstoffe wie Steine, Sand, Hufeisen etc. im Mist erhöhen Verschleiss der Anlage, weshalb Betreiber eher vorsichtig sind
Auch Arzneimittelrückstände können im Gärrest verbleiben. Sie stellen zwar selten ein unmittelbares Technikproblem dar, erfordern aber verantwortungsvollen Umgang in der Verwertung.
Wann Pferdemist gut geeignet ist
In Trockenvergärungsanlagen ist Pferdemist eindeutig im Vorteil. Diese sind speziell für stapelbare Feststoffe wie Festmist und Bioabfälle ausgelegt:
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keine starken Rührwerke notwendig
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robust gegenüber Fasern und Fremdmaterial
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auch höhere Mistanteile möglich
Optimal ist frisch anfallender Mist mit strohhaltiger Einstreu sowie eine mechanische Vorbehandlung zur besseren Abbaubarkeit.
Unterschied Trocken- zu Nassvergärung - kurz erklärt
| Nassvergärung | Trockenvergärung |
|---|---|
| arbeitet mit pumpfähigen, flüssigen Substraten = Rührwerke nötig | stapelbare Biomasse bleibt als „Haufen“ im Fermenter |
| anfällig für Fasern = technisches Risiko | robust gegenüber Feststoffen |
| Pferdemist nur als Beimischung sinnvoll (<10–20%) | hoher Pferdemistanteil möglich |
Wie wird die Entsorgung in der Schweiz reguliert?
Die Entsorgung von Pferdemist unterliegt in der Schweiz klaren gesetzlichen Vorgaben, insbesondere der Verordnung über die Vermeidung und die Entsorgung von Abfällen (VVEA), der Düngerverordnung (DüV) und dem Gewässerschutzgesetz (GSchG). Diese Regelwerke definieren, wie Pferdemist gesammelt, gelagert und verarbeitet werden darf, und welche Qualitätsanforderungen erfüllt sein müssen, bevor das Endprodukt – sei es Kompost, Gärrest oder Asche – in die Umwelt gelangt. Kantone präzisieren zudem die Annahmebedingungen für Anlagen, die Pferdemist behandeln.
Welche Entsorungsmöglichkeiten gibt es hierzulande?
Drei Arten der Entsorgung werden in der Schweiz üblicherweise praktiziert. Je nach Art gibt es strengere oder weichere Vorgaben.
Kompostierung
Diese Art der Entsorgung ist für Pferdemist ohne relevante Medikamentenrückstände der bevorzugte und am weitesten verbreitete Entsorgungsweg. Der Mist von Freizeit- und Weidepferden enthält in der Regel wenig kritische Stoffe, sodass er nach einer kontrollierten aeroben Kompostierung zu hochwertigem Humus verarbeitet werden kann. Die DüV legt fest, welche Grenzwerte einzuhalten sind, damit der Kompost als Dünger auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht werden darf. Technische Vorgaben, wie Temperaturführung, Dokumentation und Hygienisierung, sind in Leitfäden des BAFU und in branchenspezifischen Empfehlungen detailliert beschrieben.
Vergärung in Biogasanlagen
Für die Vergärung in Biogasanlagen gelten strengere Anforderungen, da Pferde häufig mit Entwurmungsmitteln, Entzündungshemmern oder Antibiotika behandelt werden. Rückstände dieser Präparate können den mikrobiellen Gärprozess hemmen oder im Gärrest verbleiben, der anschliessend wieder als Dünger in die Umwelt gelangt. Deshalb verlangen die Betreiber von Biogasanlagen eine sorgfältige Herkunfts- und Substratkontrolle. Pferdemist von Sport-, Renn- oder therapiebehandelten Pferden wird meist nicht angenommen. Die technischen Grundlagen und rechtlichen Hinweise zur Vergärung finden sich in Publikationen des BAFU sowie ergänzend im Themenbereich Tiermedikamente des BLV.
Thermische Behandlung
Die thermische Behandlung (Verbrennung oder Hochtemperatur-Hygienisierung) ist der sicherste Entsorgungsweg für Pferdemist, der Medikamentenrückstände enthält oder bei dem ein solcher Verdacht besteht. Hohe Temperaturen zerstören sowohl pathogene Keime als auch viele organische Wirkstoffe und verhindern damit eine Belastung von Böden und Gewässern. Neben Kompostierung, Biogas und Verbrennung erlaubt die VVEA weitere Spezialverfahren wie Trocknung und Pelletierung, chemisch-thermische Vorbehandlung vor der Vergärung oder – in seltenen Ausnahmefällen – die Ablagerung in speziell gesicherten Deponien. Alle Alternativen unterliegen strengen Umweltanforderungen nach VVEA, DüV und GSchG. Für konkrete Entscheidungen empfehlen sich kantonale Vollzugsstellen und die detaillierten Richtlinien des BAFU.
Fazit
Pferdemist: Teil der Lösung, wenn man es richtig macht
Pferdemist ist weder rein energetischer Schatz noch unbrauchbarer Abfall. Das theoretische Potenzial ist gross, aber die praktische Umsetzung erfordert geeignete Technik, Wissen und Logistik. In klassischen Flüssig-Biogasanlagen bleibt Mist meist nur ein ergänzender Rohstoff. Erst in strukturierten Konzepten, mit Trockenvergärung, guter Aufbereitung und passenden Einstreumaterialien, wird er zu einem echten Energieträger.
Damit Pferdemist stärker zur Schweizer Biogasproduktion beitragen kann, braucht es:
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mehr trockenvergärende Anlagetechnik,
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regionale Sammel- und Aufbereitungssysteme,
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eine bewusste Wahl der Einstreu in der Pferdehaltung
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sowie kritische Gärrestnutzung mit Blick auf Umweltauflagen.
Das Potenzial ist sicherlich da. Die entscheidende Frage ist, ob wir es als Energiequelle ernst nehmen – oder weiterhin als einen „Haufen Mist“ betrachten.
*Basierend auf offiziellen Schätzungen von Fachstellen zu 85’000–100’000 Equiden in der Schweiz mit etwa 10–30 Tonnen Mist pro Tier und Jahr.
Quellen:
Bild: https://pixabay.com, Manfred Richter
Text:
- https://www.renergon-biogas.com
- https://www.agrocleantech.ch/images/Fachleute/Wissen/Potentialanalyse_f%C3%BCr_die_Pelletierung_von_Pferdemist.pdf
- https://www.energieforschung.de/de/aktuelles/interviews/2025/biogas-revolution-pferdemist-chance-landwirte
- https://www.fnr.de/fileadmin/projektdatenbank/22011701.pdf
- https://biogas.fnr.de/biogas-gewinnung/anlagentechnik
- https://lnv-bw.de/wp-content/uploads/2018/09/2-2018-LNV-Info-Antibiotika-Resistenz.pdf
- https://www.ml.niedersachsen.de/download/110300/Antibiotikarueckstaenden_und_multiresistenten_Keimen_in_Biogasanlagen_TiHo.pdf
- https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/REP0287.pdf
- https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/de/dokumente/wasser/uv-umwelt-vollzug/biogasanlagen_inderlandwirtschaft.pdf.download.pdf/UV-1626-D_Biogasanlagen_Teilrevision2021.pdf
- https://www.agrocleantech.ch/images/Fachleute/Wissen/Potentialanalyse_f%C3%BCr_die_Pelletierung_von_Pferdemist.pdf
- https://www.ee-news.ch/de/article/51485/biogas-pferdemist-reizvoll-aber-tuckisch-von-querstromzerspanern-uber-trockenfermentation-und-pfropfenstromfermentern-bis-zu-kugelmuhlen
- https://orgprints.org/10970/1/BiogasIm%C3%96ko-Landbau.pdf
- https://biogas.fnr.de/daten-und-fakten/faustzahlen
- https://www.zh.ch/de/umwelt-tiere/abfall-rohstoffe/abfaelle/abfallanlagen/kompostierung-vergaerung.html
- https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/de/dokumente/abfall/uv-umwelt-vollzug/uv-vvea-biogene-abfaelle.pdf.download.pdf/uv-vvea-biogene-abfaelle.pdf
- https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/abfall/recht/abfall-vollzugshilfen.html
- https://res.cloudinary.com/adminch/image/private/s--6b9UZrcS--/v1759286782/Bundespublikationen/814-81d.pdf