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27.02.2021, von Vy Chi Vuong

Nachhaltige Ernährung und Events | Teil I: Theorie

Wer sich nachhaltig ernähren möchte, weiss, dass es nicht ganz einfach ist, sich in diesem Dschungel an Informationen zum Thema Ernährung zurechtzufinden. Wie herausfordernd muss es denn für Veranstaltende sein, deren Entscheidung eine grössere Gruppe von Menschen betrifft? Dieser Beitrag zeigt, was nachhaltige Ernährung ist und wonach sich Veranstaltende orientieren können.

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Über die Ernährung wird viel geschrieben und diskutiert - und über die nachhaltige Ernährung mindestens genauso. Ändernde Trends und Empfehlungen erschweren Entscheidungen. Jede Person, die sich damit beschäftigt, hat die Erfahrung gemacht, dass es unmöglich ist, über alles Bescheid zu wissen. Dies muss auch nicht sein, denn wie es bei vielen Dingen so ist, reicht es, wenn man es langsam angeht und Veränderungen Schritt für Schritt einführt. Vor allem als Veranstalter muss man immer wieder verschiedene Massnahmen miteinander abwägen und herausfinden, welche dem Publikum zumutbar ist.

Wieso essen wir?

Eigentlich eine banale Frage. Durch die Fülle und das Überangebot an Nahrungs- und Lebensmittel scheint es aber so, als wäre der eigentliche Sinn der Ernährung in Vergessenheit geraten. Der Anstieg von ernährungsbedingten Krankheiten wie Übergewicht und Diabetes oder Mangel- und Fehlernährung in der Bevölkerung verstärkt zusätzlich diesen Eindruck. Vordergründig geht es bei der Ernährung darum, den Körper mit Energie und Nährstoffen zu versorgen, sprich, um gesund zu bleiben. Eine unausgewogene Ernährung kann zu Fehlfunktionen führen und auf Dauer dem Körper schaden.

Was bedeutet nachhaltige Ernährung?

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Ernährung gewandelt. Mit steigendem Wohlstand wurden die Auswirkungen des Konsums sichtbar. Was wir essen, hat nicht nur Auswirkungen auf uns und unsere Gesundheit, sondern auch auf die Natur, Mitmenschen und Tier. Im Jahre 2000 konnte Niels Jungbluth mit seiner Dissertation «Umweltfolgen des Nahrungsmittelkonsums» aufzeigen, dass in der Schweiz fast 30% der Umweltbelastungen durch die Ernährung verursacht werden. Hierbei fallen vor allem die Anbauweise und der Transport ins Gewicht. Die Ernährung dient also mehr als nur zur Erhaltung unserer Gesundheit, sondern hat auch noch viele andere Aspekte. Zu den gesundheitlichen Aspekten mischen sich gesellschaftliche, kulturelle oder wirtschaftliche. Wie kann man nun aus dieser Komplexität erkennen, was nachhaltige Ernährung bedeutet?

Das Konzept der Ernährungsökologie, welche die Mehrdimensionalität der Ernährung gut beschreibt, kann dabei helfen. Der Ruf nach einer nachhaltigen Ernährungsweise hat eine Forschungsgruppe im Bereich Ernährungsökologie an der Universität Giessen (Deutschland) veranlasst, eine Grundlage für die nachhaltige Ernährung zu schaffen. In Anlehnung an die Definition von Nachhaltiger Entwicklung wurden die Dimensionen der Nachhaltigkeit in die Ernährung integriert: Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Ergänzt wurde das Konzept mit der Dimension Gesundheit, da im Ernährungsbereich der Gesundheitsaspekt unabdingbar ist. In einem weiteren Schritt wurde die Kultur als fünfte Dimension hinzugefügt.

 

Die Dimensionen der Ernährung

 

Die Ernährungsökologie und die Mehrdimensionalität der Ernährung

Geprägt hat diese Betrachtungsweise der Mehrdimensionalität der Ökotrophologe Dr. Karl von Koerber. Im Folgenden werden die fünf Dimensionen etwas genauer vorgestellt:

  • Die ökologische Dimension betrifft die globale Umwelt und somit die Verantwortung für den natürlichen Lebensraum. Problematik: Klimagase und der hohe Ressourcenverbrauch bedrohen aktuell die Umwelt und das Klima.
  • Die ökonomische Dimension beinhaltet die Ebene der Wirtschaft und alle damit verbundenen Prozesse. Problematik: Aufgrund von niedrigen Verbraucherpreisen im Preiskampf kann die Landwirtschaft kaum kostendeckend arbeiten. Niedrige Lebensmittelpreise geben oft die Folgekosten nicht wieder, welche aufgrund von Schädigungen oder Verunreinigungen der Böden oder Gewässer entstehen. Auch ist der Zugang zu Nahrungsmitteln nicht allen gewährleistet, obwohl genügend Nahrungsmittel vorhanden ist.
  • Die soziale Dimension bezieht sich auf die Gesellschaft, d. h. auf die Verantwortung für alle Mitmenschen sowohl lokal als auch global. Problematik: Durch die Industrialisierung in der Nahrungsmittelherstellung und Verstädterung gibt es viel mehr Menschen in den Städten als auf dem Land. In den Städten zeigt sich der Trend zu vorgefertigtem und schnellem Essen, welches Zivilisationskrankheiten begünstigt. Viele Produkte werden aus Entwicklungsländern importiert, bei deren Herstellung menschenrechtliche Verstösse (Kinderarbeit oder unsichere Arbeitsplätze) passieren. Ein Drittel der Weltgetreideproduktion wird an Tiere verfüttert, um den grossen Fleischkonsum in den Industrienationen zu decken.
  • Die gesundheitliche Dimension nimmt Bezug auf jeden einzelnen Menschen, also auf die individuelle Ebene. Problematik: In den Industrieländern wird gegen ernährungsbedingten Krankheiten durch unausgewogenem Essen gekämpft, während in armen Ländern Kinder an Unterernährung sterben oder unterversorgt sind.
  • In der kulturellen Dimension zeigen sich zwei gegensätzliche Entwicklungen: Eine negative Entwicklung ist, dass die Ernährung zur Nebensache geworden ist. Konsumiert wird vorwiegend Fleisch, schnelles und vorgefertigtes Essen. Das Wissen um die Zusammensetzung der Nährstoffe oder um die Zubereitung geht hierbei verloren. Dieser Entwicklung gegenüber steht das Essen als Lebensphilosophie, der Mensch definiert sich sozusagen über die Ernährung. Essen und Kochen haben eine hohe Bedeutung und Wertschätzung.

Wie man sieht, geht eine nachhaltige Ernährungsweise über die gesundheitliche und ökologische Dimension hinaus. In der Praxis wird nachhaltige Ernährung oft mit umweltfreundlicher Ernährung gleichgesetzt, was streng genommen nicht korrekt ist. Gemäss oben genannten Erläuterungen kann man zusammenfassen, dass eine Ernährung dann nachhaltig ist, wenn die gesamten gesundheitlichen, ökologischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Auswirkungen möglichst positiv sind.

Die Grundsätze einer nachhaltigen Ernährung

Um die Umsetzung zu vereinfachen, hat Koerber mit Einbezug der fünf Dimensionen Grundsätze für eine nachhaltige Ernährungsweise aufgestellt:

  1. pflanzliche Lebensmittel bevorzugen (überwiegend lacto-vegetabile Kost)
  2. ökologisch erzeugte Lebensmittel
  3. regionale und saisonale Erzeugnisse
  4. gering verarbeitete Lebensmittel bevorzugen
  5. fair gehandelte Lebensmittel
  6. ressourcenschonendes Haushalten
  7. genussvolle und bekömmliche Speisen

Die Grundsätze sind nach ökologischer Priorität geordnet, zuoberst steht der Grundsatz mit dem grössten Reduktionspotential an Treibhausgas-Emissionen. (Auf die einzelnen Grundsätze wird nicht näher eingegangen, für ein tieferes Verständnis besuchen Sie die Seite der Arbeitsgruppe Nachhaltige Ernährung e. V. von Koerber.) Im Beitrag nachhaltige Ernährung und Events | Teil II wird die Umsetzung ausführlich beschrieben.

Eine weitere Orientierung - die FOODprints

Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) ist in Ernährungsfragen eine gute Anlaufstelle und hat neben der Schweizer Lebensmittelpyramide ein Merkblatt - FOODprints® - entwickelt, mit dem sie auf die Umweltauswirkungen hinweist und Massnahmen für eine nachhaltigere Ernährungsweise empfiehlt. Die Empfehlungen gelten in erster Linie im eigenen Haushalt, etwas abgewandelt sind diese aber auch für Veranstalter geeignet.

  für Privatpersonen für Veranstalter

1  

zu Fuss oder mit dem Velo einkaufen Einkäufe koordinieren, um zusätzliche Fahrten zu vermeiden und Elektrofahrzeuge nutzen
2 nur so viel wie nötig einkaufen Bedarf an Portionen berechnen und bevorzugt Lebensmittel einkaufen, die weiterverarbeitet werden können
3 überwiegend pflanzliche Lebensmittel kaufen überwiegend pflanzliche Lebensmittel kaufen
4 auf die Herkunft der Lebensmittel achten auf die Herkunft der Lebensmittel achten
5 auf die Produktionsbedingungen der Lebensmittel achten auf die Produktionsbedingungen der Lebensmittel achten
6 Hahnenwasser trinken freier Zugang zum Trinkwasser gewährleisten

 

Zusatz - Empfehlungen für eine gesunde Ernährung

Die SGE hat mit ihrer Lebensmittelpyramide eine gute Orientierung für gesunde Ernährung geschaffen. Anhand dieser Pyramide veranschaulicht sie bildhaft, wie eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährungsweise aussieht. Mit zusätzlichen Merkblättern gibt sie ergänzende Empfehlungen für die Ernährung in speziellen Lebensphasen wie die Jugend oder Schwangerschaft. Sie hat an der Gesundheitskampagne «5 am Tag» mitgewirkt, um die Umsetzung für gesunde Ernährung zu erleichtern.

Genug Theorie gehabt? In der Story nachhaltige Ernährung und Events | Teil II geht es um die Umsetzung. See you there!

 


Weiterführende Literatur:

Ingrid Hoffmann, Katja Schneider, Claus Leitzmann: Ernährungsökologie - Komplexen Herausforderungen integrativ begegnen; ISBN: 978-3-86581-140-0; Erscheinungsdatum 22.09.2011


Bildernachweis:

Titelbild: kucherav - fotolia.com | Bild im Text: nachhaltigeernaehrung.de